Stellungnahme zu "Fridays for Future"

Mail des Vorsitzenden an alle Beschäftigten der IG BCE

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z.K. ehrenamtlicher Hauptvorstand


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in diesen Tagen sind die Klimapolitik und die Jugend- und Umweltbewegung Fridays for Future (FfF) ein großes innenpolitisches Thema, das sicherlich auch Euch und viele unserer Mitglieder beschäftigt. Große mediale Beachtung findet insbesondere der „globale Klimastreik“ am 20. September und dass die FfF-Aktivisten nun die Gewerkschaften zur Teilnahme auffordern.

 

Es gibt Gewerkschaften, die darauf schnell reagieren und zu einer solchen Teilnahme aufrufen. Ein solches Maß an eiliger Unterstützung ist erstaunlich, da die Konditionierung durch gewerkschaftliche Positionen und die Sorgen sowie Interessen unserer Gewerkschaftsmitglieder bislang keine Rolle spielten. Eine gemeinsame Abstimmung im DGB ist dazu nicht erfolgt.

 

Selbstverständlich steht die IG BCE hinter dem Pariser Klimaabkommen und hinter den deutschen Klimazielen. Daran haben wir nie einen Zweifel gelassen, obwohl unsere Leute die Auswirkungen unmittelbar zu spüren bekommen.

 

Beispielsweise haben wir maßgeblich mitgewirkt am Kohlekompromiss in der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (KWSB) – obwohl dadurch 100.000 gute Arbeitsplätze verloren gehen, die direkt und indirekt an der Kohleverstromung hängen.

 

Wie die FfF-Bewegung drängen wir auf mehr Tempo in der Transformation. Denn richtiggemacht, liegt darin auch eine Chance für die Zukunft unserer Industrien – einer Zukunft mit guter Industriearbeit, mit Innovationen und technologischem Vorsprung, mit wettbewerbsfähigen Unternehmen, mit neuem, qualitativem Wachstum und mit Klimaschutz.

 

Das erfordert jedoch ein politisches Konzept aus einem Guss, das Investitions- und Innovationsanreize setzt – für Unternehmen wie für Bürger. Gleichzeitig darf niemand auf der Strecke bleiben. Wir können uns kein zweites Mal einen solchen Murks wie das EEG leisten.

 

Für diese und andere Forderungen streiten wir seit Jahr und Tag, mal setzen wir uns gut durch, mal weniger gut.

 

Bei aller Sympathie für die Bewegung halten viele Beschäftigte in unseren Branchen die FfF-Forderungen aus guten Gründen für inhaltlich überzogen und unrealistisch.

 

Noch in diesem Jahr ein Viertel der Kohlekraft abzuschalten, wie von FfF gefordert, würde nicht nur tausende Menschen von heute auf morgen um ihren Job bringen, es würde auch die Sicherheit unserer Stromversorgung gefährden.

 

Ein klimaneutrales Deutschland und eine Energieversorgung mit 100 Prozent Erneuerbaren binnen 16 Jahren mag man sich wünschen. Das würde jedoch einen Kahlschlag in der Industrie nach sich ziehen und unseren gesellschaftlichen Wohlstand gefährden.

 

In den vergangenen 19 Jahren haben die deutschen Stromkunden mehr als eine halbe Billion Euro in den Ausbau Erneuerbarer Energieträger gepumpt. Damit haben wir deren Anteil auf zuletzt gerade 38 Prozent (2018) gebracht. Und es gibt Tage und Wochen im Jahr, da liegt der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung sogar im einstelligen Prozentbereich - weil bis heute der unverzichtbare Ausbau des Leitungsnetzes und der Speicher nur im Schneckentempo vorankommt.

 

Zudem lässt auch der notwendige Ausbau der Erneuerbaren zu wünschen übrig. Zuletzt ist der Zuwachs der Windenergie sogar zum Erliegen gekommen, weil Anreize fehlen, Genehmigungsverfahren zu lange dauern und der Widerstand gegen Einzelprojekte vor Ort mitunter groß ist.

 

Wir brauchen eine Ausbauoffensive bei Erneuerbaren und Leitungen. Wenn wir weitermachen wie bisher, ist selbst der Kohleausstieg 2038 unrealistisch.

 

Strukturwandel braucht Zeit – viel Zeit. Niemand weiß das besser als wir in der IG BCE. Deshalb drängen wir auch darauf, dass die Politik die richtigen Rahmenbedingungen formuliert. Damit Klarheit bei Investitions- und Innovationsanreizen herrscht.

 

Wir brauchen eine Roadmap mit konkreten Maßnahmen, Zeit- und Finanzierungsplänen, die einen Gestaltungsrahmen für die Transformation bis 2050 aufzeigt.

 

Die Klimawende wird nur im gesamtgesellschaftlichen Konsens zu erreichen sein. Das bedeutet harte Detailarbeit und Kompromissfähigkeit, wie sie in der Kohle-Kommission beispielsweise auch die Umweltverbände bewiesen haben.

 

Miteinander zu reden ist also unerlässlich. Deshalb hat der geschäftsführende Hauptvorstand der IG BCE auch die FfF-Repräsentanten zu einem Gespräch eingeladen. Um zu prüfen, ob man gemeinsam mehr tun kann, um auf den großen Aufgabenfeldern des Klimaschutzes konkret voran zu kommen, also beim Ausbau der Erneuerbaren und der Leitungen.

 

Was wir nicht tun werden, ist, zur Teilnahme am „globalen Klimastreik“ aufzurufen. Dazu ist die Zielsetzung dieser Aktion zu vage und zu unausgegoren.

 

Möglicherweise werden sich Mitglieder auf regionaler DGB-Ebene an Aktionen der FfF-Bewegung beteiligen. Für solche Veranstaltungen stellen wir keine Ressourcen zur Verfügung oder unterstützen das in anderer Form. Der Zeitpunkt wäre aus gewerkschaftspolitischer Sicht nach unserer Überzeugung verfrüht.

 

Es bleibt die große Aufgabe, einerseits für real wirksamen Klimaschutz zu kämpfen, andererseits Vernunft und soziale Gerechtigkeit in der Klimapolitik einzufordern. Das wird weiterhin unsere Orientierung bleiben und unser Handeln bestimmen.

 

Glückauf!

 

Michael Vassiliadis